Leserbrief zur Konzernverantwortungs- initiative
7. November 2020
Der Abstimmungskampf betreffend die «Konzernverantwortungsinitiative» schwenkt auf die Zielgerade ein, letzte Positionsbezüge auf der gegnerischen Seite finden statt und folglich füllen sich die Leserbriefspalten zu diesem Thema, so auch letzte Woche in dieser Zeitung.
Ich möchte zwei Themenfelder aufgreifen, welche die KVI-Gegner mit unredlichen Botschaften zu besetzen versuchen. Den Lead übernimmt dabei Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Sie wird dabei von einer mächtigen Kampagne begleitet. Ehrfurcht einflössend. Doch glücklicherweise werden Falschaussagen durch Repetition und dargestellt als vermeintliche Mehrheitsmeinung nicht glaubwürdiger. Bei genauerer Betrachtung des massgeblichen Initiativtexts verwandeln sich diese nämlich sehr schnell in Schall und Rauch auf. Welche zwei sind es?
1. Beweislastumkehr: Ein Schaden ist, wie es in unserer Rechtsordnung üblich ist («Geschäftsherrenhaftung»), durch die geschädigte Person zu beweisen. Die Unternehmung kann sodann zur Entlastung den Sorgfaltsbeweis erbringen und sich exkulpieren, oder zu gut deutsch: Sich von der Tragung des Schadenersatzes befreien. Hexerei? Nein, juristischer Alltag bei uns in der Schweiz. Deshalb erstaunt es auch nicht weiter, dass Professor Hans-Ueli Vogt, seines Zeichens SVP-Nationalrat, diese unredliche Phantombehauptung letzthin in der City Kirche als Ammenmärchen
entlarvte. Angesichts dieser Einschätzung mutet auch der Vergleich mit mittelalterlichen Inquisitionsverfahren, wie er in den Leserbriefspalten dieser Zeitung auftauchte, doch eher
abenteuerlich an.
Bürgerlichen Skeptikern lege ich deshalb Folgendes ans Herz: Laden Sie Ihren Vertrauensanwalt zu einer Prüfung obiger zwei Positionen ein. Wetten, dass dieser zum gleichen Schluss kommt wie SVP-Nationalrat und Rechtsprofessor Hans-Ueli Vogt?
Fazit: Die Haftungsregelung der KVI kennt keine Beweislastumkehr.
2. «KMU-Falle», Knebelverträge & Co.: Jetzt kommt es noch eine Spur dicker. In Leserbriefen, auf Plakaten und in persönlichen Statements wird die «Lieferketten-Haftungs-Knebelverträge-Verwirrtaktik» für KMU vorgetragen. Jedes KMU wird durch die KVI in den Abgrund getrieben, so das apokalyptische Szenario. Aber: 99 Prozent der KMU sind von der neuen Haftungsregelung
nicht betroffen, auch wenn mittels Verwirrtaktik das Gegenteil behauptet wird. Empfehlung an KMU: Stellen Sie sich folgende zwei Fragen:
— Ist meine Unternehmung ein Hochrisikounternehmen, welches Rohstoffe wie Gold oder Kupfer in Entwicklungsländer abbaut? Nein! Folge: Aufatmen, ich bin nicht von der KVI betroffen.
— Erreicht meine Unternehmungen in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren kumulativ zwei der nachfolgenden Schwellenwerte: Bilanzsumme über 20 Millionen Franken, Umsatz
über 40 Millionen Franken bzw. mehr als 250 Vollzeitstellen? Nein! Folge: Erneutes Aufatmen, ich bin nicht von der KVI erfasst. Fazit: KMU können ruhig schlafen, weil die volkswirtschaftliche
prognostizierte Apokalypse ausbleiben wird.
Als bürgerlicher Politiker, der von einer liberalen Wirtschaftsordnung überzeugt ist, werde ich ein Ja zur KVI einwerfen. In einer weltumspannenden Wirtschaftsordnung darf aus freiheitlicher und ethischer Sicht erwartet werden, dass auch Gross- und Hochrisikounternehmen allseits anerkannte Regelungen im Bereich der Menschen- und Umweltrechte beachten.
Michael Felber, Kantonsrat CVP, Stadt Zug