Laut oder beharrlich
21. Februar 2020
Laut oder beharrlich
Die Äpfel für den Kompott heute Abend liessen sich auch schon schneller rüsten. Unser kleiner Sohn, 1.5 Jahre alt, liegt tobend, flach auf dem Boden im Flur. Jedes Mal wenn ich ihn tröstend zu mir nehmen will, windet er sich aus meinen Armen und rennt wutentbrannt zur exakt derselben Stelle im Flur zurück, um sich sehr theatralisch wieder auf den Boden zu werfen. Äpfel rüstend rede ich ihm gut zu. Dazwischen ruft der um zwei Jahre Ältere aus dem Wohnzimmer, ob ich ihm beim schwierigen Puzzle helfen könne. Das Puzzle ist neu, und er kann es noch nicht alleine.
Tobender kleiner Bruder und bald hungrige Kinder lassen eine Puzzle-Hilfe meinerseits nicht zu. Zudem sollte ich mich endlich entscheiden, welches politische Thema ich der Leserschaft der Zuger Zeitung in der Kolumne «Zuger Ansichten» vorstelle. Aktuelle politische Fragestellungen wüsste ich zu Hauf. Für eine Kolumne sollte es jedoch etwas Emotionales, ja fast Dramatisches sein. Das Thema muss «laut» sein.
Am Donnerstag diskutieren wir im Kantonsrat über die Änderung des Datenschutzgesetzes. Ich erwarte die üblichen Vorwürfe, man passe sich wieder einmal der EU an. Aber emotional wird es nicht, eher trocken und technisch. Dabei sollte man bei dieser Thematik durchaus «laut» werden. Ich muss ehrlich eingestehen, dass ich trotz meiner Informatikausbildung in der digitalen Welt wenig Ahnung habe, wer Zugriff auf meine Daten hat. Zum Glück setzen wir uns immer wieder – so auch am nächsten Donnerstag – politisch mit diesen unspektakulären, komplexen aber doch wichtigen Fragen auseinander.
Jetzt fällt bei mir der Zwanziger: Der Kleine will seine Wintermütze zurück, die ich ihm beim Nachhausekommen ausgezogen habe. Ich strecke sie ihm hin. Mit einem vorwurfsvollen Schnauben zieht er sich die dicke Wollmütze an, wischt sich die letzte Träne weg und stampft besänftigt ins Wohnzimmer. Die Welt ist für ihn wieder in Ordnung.
Das Traktandum Geldspielkonkordat dürfte nur die Gemüter einiger eingefleischter Ratsmitglieder beschäftigen. Dabei könnte man dazu eine staatspolitische Grundsatzdiskussion führen. Wollen wir, dass der Bund immer mehr Aufgaben zu sich nimmt und damit die Souveränität der Kantone einschränkt? Für mich sind kluge Konkordate die Antwort darauf, wie sich die Kantone themenbezogen zusammenschliessen und für ihre Bedürfnisse passende Lösungen finden können.
Mehr Emotionen löste bereits in den letzten Monaten das Traktandum «Richtplananpassung» aus. Für die Bevölkerung von Risch ist der darin geplante Halbanschluss an die Autobahn eine bedeutende Fragestellung. Dank ausgezeichneter Kommissionsarbeit im stillen Kämmerlein haben wir einen Lösungsansatz vorliegend, der den unterschiedlichen Anliegen Rechnung trägt. Biss und Durchhaltewillen aller Beteiligten haben sich gelohnt.
Der letzte Apfel ist geschält. Der Kleine spielt mittlerweile zufrieden mit seinen Duplos. Er trägt seine Mütze noch eine ganze Stunde in der warmen Stube. Eine einfache Lösung für ein sehr «lautes» Problem, denke ich, schmunzle und lasse mich aufs Sofa fallen. Erst jetzt fällt mir das fixfertige Puzzle auf, allein geschafft vom Dreijährigen. Es lohnt sich zuweilen auch in der Politik, ein komplexes, unspektakuläres und dennoch bedeutendes Problem ohne grosse «Lautstärke», dafür beharrlich und mit Sachverstand anzupacken.