Alltag 2.0
10. Mai 2020
„Halten Sie mal die Luft an“ – mit diesen Worten begann ich im letzten Jahr eine Kolumne. Es ging um meine Eindrücke anlässlich der Präsentation von Vertiefungsarbeiten durch Lernende am GIBZ. Leider sind die Präsentationen dieses Jahr wegen den COVID-19 Massnahmen ausgefallen. Wir sind mit einem neuen Alltag konfrontiert.
Alltag, was heisst das schon? Oder besser: was hiess es bis 2020 B.C. (Before Corona)? Alltag war für mich Vertrautes, Wiederkehrendes, Familie, Arbeiten, ÖV, Freunde, Turnen, Menü Eins mit Suppe, Tagesschau, Politik. Dieser Alltag war manchmal auch etwas grau, routiniert, gedankenverloren.
Mit dem Ausbruch von COVID-19 und den verordneten Massnahmen wurde alles auf einen Schlag anders. Der Bundesrat und mit ihm die Zuger Regierung haben die Zügel in die Hand genommen und geführt. Rasch wurden griffige Massnahmen beschlossen, rasch wurde informiert, rasch begriffen wir Bürgerinnen und Bürger, dass wir die Empfehlungen des Bundes ernst nehmen müssen – und wir haben das auch getan. Ruhig, ohne Aufschrei, geduldig, verständnisvoll – meistens. Mir wurde wieder einmal bewusst, wie viele Dinge wir als selbstverständlich empfinden, wie verwöhnt wir eigentlich sind! Seit Beginn des Lockdowns ist viel geleistet worden hier im Kanton Zug. Die Familien mussten sich umorganisieren, Kinder und Eltern arbeiteten zu Hause, Betriebe stellten sich den neuen Herausforderungen, die Mitarbeitenden der öffentlichen Verwaltung verarbeiteten stapelweise Kurzarbeitsgesuche, Lehrpersonen entwickelten im Nu neue Unterrichtsformen, Mitarbeitende der Grossverteiler schufteten, LKW Fahrer- und Fahrerinnen ebenfalls, vom medizinischen Personal ganz zu schweigen. Ein neuer Alltag entstand. Einer, der nicht alltäglich ist und trotzdem funktionieren muss – und mit Lockerungen auch morgen und übermorgen noch.
Insbesondere Selbständige, Kleinunternehmen und Gastrobetriebe benötigen dringend eine wirtschaftliche Perspektive, um damit eine Gesundung ihrer teilweise sehr misslichen finanziellen Lage erkennen zu können. Nur so können möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben.
Es gilt nun – wo nötig – den Zugerinnen und Zuger, der Wirtschaft, der Kultur wieder auf die Beine zu helfen. Wir Politiker und Politikerinnen müssen hier mithelfen. Die Regierung hat schon und wird zusammen mit den Parteien weitere, vorwiegend finanzielle Unterstützung vorbereiten, die wir im Kantonsrat wohlwollend beraten. Es sind nicht nur politische Taten gefragt, nein, auch mit unserem alltäglichen Verhalten können wir einen Beitrag zum gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Heilungsprozess leisten. Ist es nicht zugleich ein Lustgewinn, wenn wir in der Nähe einkaufen, im Hofladen, beim Gärtner, beim nahen Detaillisten, in der Stadt – statt einsam am Bildschirm zu bestellen? Zeigen wir uns zudem flexibel im Umgang mit Dienstleistern und Handwerkern und deren Terminen. Bewahren wir uns doch die während des Lockdowns antrainierte Entschleunigung.
Der Bundesrat hat mit einer ersten Lockerung ab dem 27. April den Weg geebnet, um zurück in eine neue Normalität – in den Alltag 2.0 zu finden. Ich versuche, mutig, aktiv und zugleich vorsichtig zu handeln, damit ich im Alltag 2.0 nicht irgendwann wieder auf Feld Eins zurückgeworfen werde und ein neuer Lockdown uns alle wieder von Null beginnen lässt.
Heinz Achermann, Kantonsrat CVP, Hünenberg