Neutralität: Im Spannungsfeld von Verändern und Bewahren
5. September 2024 – Die Frage um die Bedeutung der Neutralität der Schweiz ist aktueller denn je. Ausgelöst durch den Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine erhielt die Thematik eine ganz neue Wendung und wurde mit dem Kriegsgeschehen in Israel zusätzlich verstärkt. Höchst spannend und aktueller denn je die Ausgangslage für den von der Jungen Mitte Kanton Zug und der Vereinigung 60+ Ende August gemeinsam organisierten Anlass.
Zum Auftakt gab der Historiker Dr. Marco Jorio in einem rund einstündigen historischen Exkurs einen Abriss über die Entwicklung der Schweizerischen Neutralität. Schon bald war klar, so ganz einfach mit dem Neutralitätsverständnis war die Angelegenheit nie und wird es wohl auch künftig nicht sein. Mit dem Haager Abkommen vom Oktober 1907 bekannte sich die Schweiz zum Neutralitätsrecht und die dauernde Neutralität ist ein Grundsatz der schweizerischen Aussenpolitik. Dieser wurde jedoch in jüngster Vergangenheit auf eine Zerreissprobe gestellt.
Das zeigte sich auch in der folgenden Podiumsdiskussion mit Mitte-Ständerätin Andrea Gmür und Präsidentin der ständerätlichen Sicherheitskommission, und Historiker Marco Jorio unter der Leitung von Mitte-Regierungsrätin Laura Dittli. Ein neutraler Staat müsse sich verteidigen können – und das geht nicht ohne Waffen“ so Jorio. Dem stimmte Andrea Gmür bei, „aber in ein Verteidigungsbündnis beizutreten ist nicht das Ziel. Gemeinsame Übungen beispielsweise hingegen schon.“
Quo vadis Neutralität? „Seit 1960 lockerte der Bundesrat die strenge Neutralitätspolitik und übernahm bis heute immer wieder wirtschaftliche Sanktionen. Es ist deshalb zwingend nötig, dass wir uns darüber Gedanken machen“ führt Marco Jorio aus. Als politisch engagierter Zeitgenossen wolle er nicht zusehen, wie diese (Neutralität) einbetoniert werden solle. „Deshalb ist ein Manifest entstanden.“ Dieses geht primär an den BR und ans Parlament und verlangt vom Bundesrat eine sicherheits- und aussenpolitische Auslegeordnung sowie die konsequente Ausrichtung der Neutralität auf die Uno-Charta. Dem pflichtete Gmür bei und: „Ich unterstütze das Vorgehen, wenn die Schweiz wirtschaftliche Sanktionen übernimmt, aber nicht ausserhalb der EU-Staaten und nicht eigenständig.» Das letzte Wort ist noch längst nicht gesprochen: Spätestens wenn die sogenannte Neutralitätsinitiative der SVP vors Volk kommt, wird die Diskussion und die Auslegung der Neutralität wieder entfacht.