Rettung für Politiker
21. Juni 2017
Ich bin gerne Kantonsrat. Einmal pro Monat, jeweils am letzten Donnerstag des Monats, darf ich mich in bunter Reihenfolge mit vielfältigen, interessanten Zuger Themen befassen. Da kann es vorkommen, dass wir am Morgen mit Strassenbau beginnen und am Abend via Grundstückgewinnsteuern, Asylunterkünften und Schulklassengrössen schliesslich beim Bettelverbot auf Zuger Strassen landen. Phantastisch! Wir werden ausführlich dokumentiert und können uns schon vor der ersten Debatte eine erste Meinung bilden. Wobei „erste Meinung“ selbstredend nur für diejenigen Kollegen gilt, deren Meinung nicht schon gemacht ist.
Dies ist der aktive Teil des Politiker-Daseins. Als passiven Teil bezeichne ich die Wahrnehmung als Politiker von aussen. Immer mal wieder werde ich auf bestimmte Themen oder gar konkrete Geschäfte angesprochen. Was meinst Du dazu? Findest Du nicht auch, dass …? Ich gebe zu, dass meine Meinung gefragt ist, schmeichelt mir. Doch mindestens so sehr setzen mich solche Fragen unter Druck, denn vielfach habe ich mich mit den Thema gar nicht befasst oder – auch das kommt vor – es interessiert mich nicht, so dass ich dazu gar keine Meinung habe. Die Routine liefert in solchen Situationen trotzdem eine rasche Antwort, jeweils verbunden mit dem Glücksgefühl, dass der Seichtheitsgrad der Antwort nicht auf der Nasenspitze erkennbar ist.
Unlängst las ich in einer Kolumne von Rolf Dobelli unter dem Titel „Die Kunst des guten Le-bens – Wir Meinenden“, dass Meinungslosigkeit kein Zeichen von Dummheit, sondern von Intelligenz sei. Meine Rettung! Seit ich das gelesen habe, bin ich nicht nur gerne Politiker; ich bin auch ein glücklicher Politiker.
Schon bald sind wieder Wahlen. Mein Tipp an Neo-Politiker (frei nach Rolf Dobelli): „Hüten Sie sich vor unkontrollierten Meinungsausbrüchen!“